Professionelle Interessenvertretung.

 

Ausführliche Informationen auch in unserem Vademecum 3 - Professionelle Interessenvertretung

 

Eine kurze Darstellung professioneller Interessenvertretung unseres Partnerverbandes APAA (EN)

 

Der Tätigkeitsbereich der professionellen Interessenvertretung hat sich in den letzten 3 Jahrzehnten stark entwickelt. In dieser Zeit hat sich bei der Einflussnahme auf die politische Willensbildung beispielsweise neben der vorherigen Zentrierung auf sektorenspezifische Verbände eine stärker eigenverantwortliche Wahrnehmung von Public Affairs entwickelt. Gleichzeitig ist die Teilhabe von NGO’s und Initiativen gewachsen. Die Interessenvertretung ist damit fragmentierter in ihren Themenbereichen geworden, um ein Vielfaches an Akteuren gesteigert und in ihre Methodik diverser geworden. Es hat sich aber auch ein Berufsbild herausgebildet.

Im Bereich der professionellen Interessenvertretung ist sehr bald klar geworden, dass die berufliche Tätigkeit auf einer Grundlage auf Ethik und Transparenz erfolgen muss, um das notwendige Vertrauen zu erhalten. Ein Verhaltenskodex im Rahmen einer freiwilligen Selbstkontrolle ist wie in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens als weitere Basis geschaffen worden.

Gleichzeitig hat sich das Bild der Interessenvertretenden in der Öffentlichkeit kaum weiter entwickelt. Interessenvertretung wird oftmals als illegitim verstanden oder gar im Bereich illegaler Korruption verortet. “Lobbyist” erfährt einen so stark negativen Beiklang, dass sich Berufsträger hiervon zu distanzieren versuchen. Dabei ist professionelle Interessenvertretung nicht nur legitim und verfassungsrechtlich vorgesehen, sondern auf werteorientierter Basis ein wichtiger Beitrag zur politischen Willenbildung des Gemeinwesens.

Die de'ge'pol setzt sich seit Jahren dafür ein, dass das Wissen zur professionellen Interessenvertretung, ihrer Grundlagen und Methodik gestärkt wird.

Interessenvertreter:innen.

Die Bezeichnung professionelle Interessenvertretung ist, wie der zuvor genutzte Begriff Politikberatung, ein Sammelbegriff und etwas diffus. Viele Menschen und Organisationen leisten Interessenvertretung und haben ein eigenes Verständnis von diesem Begriff.

Auf der einen Seite gibt es viele informelle, ehrenamtliche und nebenamtliche Formen der Interessenvertretung. Auf der anderen Seite existiert inzwischen ein Berufbild Interessenvertretung. Letzteres ist in seiner hauptberuflichen Form eine professionelle Dienstleistung im politischen Arbeitsfeld.

Die Gegenstände der Tätigkeit eines professionell Interessenvertretenden sind politische Inhalte, politische Organisation und Prozesse sowie politische Kommunikation.

Professionelle Interessenvertreter:innen haben vorrangig die Aufgabe der Beratung ihrer Arbeitgeber oder Auftraggeber, Klienten oder Mitglieder. Häufig ertüchtigen sie diese durch Begleitung von Projekten im Hintergrund. Daneben übernehmen sie auch operative Aufgaben, vor allem im politischen Projektmanagement und in der Vermittlung von Informationen und Beziehungen. Professionelle Interessenvertreter:innen beraten und arbeiten stets managementorientiert.

Professionelle Interessenvertreter:innen arbeiten in der Regel sehr selbstständig und eigenverantwortlich. Viele führen Mitarbeiterteams, andere sind vorrangig innerhalb von Organisationen tätig und arbeiten projektbegleitend im Hintergrund. Wieder andere erfüllen auch die Aufgabe der Repräsentation nach außen.

Der Schwerpunkt der Interessenvertretung liegt darin, zwischen Politik, Wirtschaft, gesellschaftlichen Organisationen und Öffentlichkeit zu vermitteln. Viele schlagen zudem die Brücke zwischen Wissenschaft und politischer Praxis.

Professionelle Interessenvertreter:innen tragen durch ihren Beitrag zur Vorbereitung, Steuerung und Vermittlung politischer Entscheidungen eine hohe Mitverantwortung. Ihr Rat und ihre Entscheidungen sollen in der Demokratie positiv und konstruktiv wirken.

DER WEG IN DIE INTERESSENVERTRETUNG.

AUSBILDUNG UND QUALIFIZIERUNG

Der Zugang zur professionellen Interessenvertretung gestaltet sich in unserer demokratischen Gesellschaft sehr offen.

Offener Zugang und vielfältige Qualifizierungswege entbinden aber nicht von der Pflicht, Qualitätsstandards in der Aus- und Weiterbildung zu verankern. Davon hängen Qualität und Integrität des Berufs ab. Zugleich steigt der Bedarf an Fach- und Führungskräften, die eine seriöse und verlässliche Qualifikation zur professionellen Interessenvertretung vorweisen können. Die de'ge'pol tritt nicht für eine ausschließliche Akademisierung der professionellen Interessenvertretung ein, aber sie sieht es als wichtiges Ziel an, dass Kompetenzen auf hohem praktischem und wissenschaftlichem Niveau auch durch formale Zertifikate und Hochschulabschlüsse anerkannt werden.

Professionelle Interessenvertretung ist kein klassischer Ausbildungsberuf. Die Basisqualifikation ist nicht entscheidend. Vielmehr ist das Konzept des Lebenslangen Lernens zentral. Das verlangt höhere Investitionen in die Qualifizierung, innovative Lehr- und Lernmethoden, Berufsberatung und Berufsorientierung. Interessenvertreter:innen müssen Lernzeiten im Beruf einplanen. Arbeitgeber in der professionellen Interessenvertretung müssen Freiräume für die Qualifizierung schaffen und Lernen durch Aufstieg und Vergütung belohnen.

NEUE ANGEBOTE, NEUE TRÄGER

Die Qualifizierung für die professionelle Interessenvertretung hat seit Gründung der de'ge'pol 2002 erhebliche Fortschritte gemacht. Daran hat die de'ge'pol mitgewirkt, indem sie Bildungsträgern als Dialogpartner zur Verfügung stand, Curricula und Lehrmaterialien entwickeln half und Mitglieder motivierte, sich als Dozenten und Gastgeber von Bildungsveranstaltungen zur Verfügung zu stellen.

 ·       Die berufsbegleitende Weiterbildung kann heute auf ein wachsendes Seminar- und Schulungsangebot bei kommerziellen und freien Trägern sowie Stiftungen und internen Akademien zurückgreifen.

·       Viele Anbieter der professionellen Interessenvertretung haben den Wissenstransfer durch Seminare und Schulungen selbst in ihr Angebotsportfolio übernommen.

·       Der Bologna-Prozess, der an deutschen Hochschulen seit 2003 forciert wurde, hat eine Reihe spezialisierter Studienangebote auf Bachelor- und Master-Niveau hervorgebracht. Diese sind für das Berufsbild der professionellen Interessenvertretung, die Nachwuchsgewinnung und die berufsbegleitende Weiterbildung relevant.

·       Auf zahlreichen Konferenzen und Kongressen wird professionelle Interessenvertretung thematisiert.

·       Die Zahl der Publikationen über professionelle Interessenvertretung hat sich vervielfacht, darunter sind sowohl praktische Handbücher als auch wissenschaftliche Studien.

·       Viele Arbeitgeber, die an professioneller Interessenvertretung interessiert sind, bieten Studenten Partnerschaften bei Hochschulabschlussarbeiten an.

Diese Entwicklungen verbessern schrittweise die analytischen Fähigkeiten und medialen Schlüsselqualifikationen und vermehren praxisnahes Wissen für das strategische Management politischer Institutionen, Prozesse, Kommunikation und Interessenvertretung.

ARBEITSUMFELD.

Politik wird nicht nur von Politikern gemacht, und auch nicht nur in Gesetzgebungsverfahren, Kabinetts- oder Ministerentscheidungen oder auf Parteitagen. Politik entsteht in der Demokratie an vielen Orten und ist das Ergebnis von Beteiligung an vielfältigen Verfahren und von Dialog in öffentlichen Räumen. Politik entsteht zudem aus der Konkurrenz der Interessen. Globalisierung und Digitalisierung verändern Gesellschaften grundlegend und haben großen Einfluss auf politische Teilhabe.

Professionelle Interessenvertreter:innen beraten direkt die Entscheidungsträger in ihren öffentlichen Institutionen, Ministerien, Fraktionen oder Parteien – von den Kommunen über Bundesländer und Bundespolitik bis hin zur Europäischen Union.

Politiker oder politische Institutionen können auch selbst Auftraggeber von miest wissenschaftlichen Politikberater:innen sein.

Interessenvertretung gegenüber Entscheidungsträgern kann aber auch von Dritten beauftragt werden: Sie ist dann fürsprechend und artikuliert Interessen. Sie verliert dabei aber nicht den Anspruch, die Politik substanziell zu beraten.

Professionelle Interessenvertreter:innen ist aber für viele Auftraggeber auch Beratung über Politik. An dieser Stelle vermittelt und übersetzt Politikberatung komplexe Prozesse und bereitet entsprechende Kommunikations- oder Strategielösungen vor.

Die professionelle Dienstleistung der Interessenvertretung wird daher nachgefragt von allen, die an Politik beteiligt sind oder sich beteiligen möchten. Sie tun dies, weil sie von Entscheidungen des Staates oder vom Einfluss der Politik betroffen sind. Dazu gehören Unternehmen, Verbände, Gewerkschaften, gesellschaftliche Organisationen, Stiftungen, öffentliche Einrichtungen, internationale Organisationen und auch ausländische Staaten.

Auftraggeber aus der Wirtschaft nennen das Arbeitsfeld der politischen Beteiligung und öffentlichen Kommunikation an der Schnittstelle zu Politik, Gesellschaft und Medien häufig Public Affairs („öffentliche Angelegenheiten“).

Innerhalb einer Organisation arbeiten angestellte professionelle Interessenvertreter:innen dauerhaft ausschließlich für ihren Arbeitgeber. Beispiele dafür sind Planungs- und Grundsatzabteilungen, Abteilungen für Public Affairs oder Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, aber auch Fachabteilungen und der Bereich der Geschäftsführung mit übergreifenden Managementaufgaben. Im Bereich der Wissenschaft sind Politikberater in Stiftungen und Instituten zu finden.

Innerhalb von Verbänden arbeiten professionelle Interessenvertreter:innen im Interesse ihrer Mitglieder. Ihre wesentliche Aufgabe besteht in der auf längere Frist angelegten Moderation einzelner Mitgliederinteressen gegenüber Dritten und damit allen relevanten Akteuren in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Professionelle Interessenvertreter:innen, die als selbstständig oder bei einer Agentur, Kanzlei oder Beratungsgesellschaft tätig sind, übernehmen häufig Projektverantwortung bei wechselnden Auftraggebern.

Wissenstransfer

Für alle Bereiche der Interessenvertretung spielen Wissenstransfer, Qualifizierung, Kompetenzvermittlung und Training eine Rolle.

·       Professionelle Interessenvertreter:innen vermitteln Fach- und Verfahrenswissen.

·       Sie unterstützen diejenigen bei der Recherche und Schulung, die Informationen sammeln und bearbeiten.

·       Sie unterstützen den Aufbau interner Wissensnetze und die Qualifizierung des Personals, zum Beispiel durch Grundlagenseminare für Führungs- und Fachkräfte, die ein neues Arbeitsgebiet übernehmen.

Individuelle Entscheidungsträger und Multiplikatoren nutzen zudem professionelle Interessenvertreter:innen für das persönliche Training und Coaching für Entscheidungs- und Krisensituationen, Verhandlungen und öffentliche Kommunikation.

Methoden

Politische Inhalte, politische Organisation und Prozesse sowie politische Kommunikation sind die Beratungsgegenstände der Interessenvertretung. Beratung und die Übernahme operativer Teilaufgaben schließen sich nicht aus. Professionelle Interessenvertreter:innen sammeln Informationen, analysieren sie, entwickeln auf dieser Grundlage Konzepte und setzen sie um. Dabei müssen professionelle Interessenvertreter:innen eine immer komplexer werdende Umwelt von Politik und sich kontinuierlich ändernde Rahmenbedingungen – insbesondere durch Digitalisierung –  in ihrer Arbeit berücksichtigen.

Interessenvertretung ist meist interdisziplinär und wird häufig in Teams unterschiedlicher Fachleute geleistet. Daher greifen professionelle Interessenvertreter:innen je nach Projekt und Aufgabe auf unterschiedliche Instrumente und Methoden zurück.

Themenanalyse und Themenvermittlung 

Inhaltlich geprägte Interessenvertretung rückt die Entwicklung und Durchsetzung von Lösungsvorschlägen für politische Probleme in den Vordergrund.

·       Zur Analyse und Vermittlung handlungsrelevanten Wissens beschafft Interessenvertretung Informationen und Dokumente.

·       Professionelle Interessenvertreter:innen spezialisieren sich inhaltlich. Sie stellen fundierte Kenntnisse eines Politikfeldes zur Verfügung. Dies kann z.B. die Arbeitsmarktpolitik, die Wirtschaftsförderung, die Forschungs- oder die Gesundheitspolitik sein.

·       Inhaltliche Interessenvertretung ist in der Lage, Organisationen und Entscheidungsträger zu beraten, um in einem bestimmten Handlungsfeld der Politik Lösungsvorschläge durchzusetzen und bestimmte inhaltliche Ziele zu erreichen.

·       Professionelle Interessenvertreter:innen haben das Knowhow, staatliches Handeln und die Umsetzung politischer Ideen in der Verwaltung zu bewerten und Optionen der Mitgestaltung vorzuschlagen.

·       Interessenvertretung bedient sich auf der analytischen Seite häufig im Werkzeugkasten der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, um Studien, Benchmark- und Vergleichsanalysen, Fallstudien und Gutachten zu erstellen.

·       Auch die qualitative und quantitative Sozialforschung mit ihrer vielfältigen Methodenpalette kommt in der Interessenvertretung zum Einsatz.

Management und Kommunikation

Bei der auf Organisation, Prozesse und Kommunikation ausgerichteten Interessenvertretung liegt der Schwerpunkt etwas anders. Sie unterstützt Politikmanagement und Interessenvertretung durch Kenntnisse der Funktionsregeln und Kräfteverhältnisse in politisch geprägten Institutionen und politischer Öffentlichkeit. Interessenvertretung nutzt dabei alle Kanäle der Online- und Offline-Kommunikation.

·       Professionelle Interessenvertreter:innen helfen bei der Kommunikationsstrategie: Argumente müssen entwickelt, präsentiert und zum richtigen Zeitpunkt von den richtigen Zielgruppen gehört und beantwortet werden.

·       Professionelle Interessenvertreter:innen helfen, die richtige Organisationsform zu finden und unterstützen die Koordinierung, z.B. von Bündnissen auf Zeit oder bei der Formierung von Interessengruppen und Verbänden.

·       Beim Monitoring beobachten Politikberater systematisch politische Trends, Debatten und Akteure und bauen Frühwarnsysteme auf (Themen- oder Issues Management), insbesondere zur Prävention von Krisensituationen.

·       Politikberater in der Markt- und Meinungsforschung ermitteln durch Erhebungen politische Einstellungen zu Themen, Ereignissen und Entscheidungen; sie unterstützen und evaluieren die Wirksamkeit und Effizienz von Kommunikationsplänen.

·       professionelle Interessenvertreter:innen konzipieren und setzen Kommunikationspläne für bestimmte Zielgruppen oder für die breite Öffentlichkeit um.

·       Sie konzipieren und bauen Beziehungsnetze auf, identifizieren Dialogpartner und koordinieren die Kommunikation in diesen Netzen.

·       Insbesondere in Kampagnen werden dabei zahlreiche Instrumente integriert: Veranstaltungen, Aktionen, Mobilisierung von Mitgliedern und Unterstützern, Werbung, Medienarbeit, Spendenwerbung / Fundraising.

·       Für die direkte Interessenvertretung (Lobbying) gegenüber politischen Entscheidungsträgern bei spezifischen Projekten, etwa bei Gesetzgebung oder Verwaltungsentscheidungen, informieren Politikberater über die Verfahren, identifizieren Ansprechpartner, bereiten auf Anhörungen und Gespräche vor, erstellen argumentative Grundlagen (z.B. Briefe, Positionspapiere, Stellungnahmen und Dossiers), konzipieren Veranstaltungsformate und koordinieren die begleitende öffentliche Kommunikation. Online-Medien und –Instrumente gewinnen dabei immer mehr an Bedeutung.

·       In Zeiten der Digitalisierung gehören auch indirekte Formen des Lobbying, beispielsweise durch (zielgruppenorientierte) Online-Kampagnen verstärkt zu den Werkzeugen der Politikberater.

Ein wachsendes Tätigkeitsfeld ist das Engagement der Wirtschaft in ihrem sozialen Umfeld. Unternehmen und Branchen tragen Verantwortung für Mitarbeiter, Verbraucher, Umwelt und Nachhaltigkeit. Diese Themen der Corporate Social Responsibility (CSR) sind häufig politisch geprägt. Politikberater unterstützen daher auch Unternehmen und Branchen, denen die gesellschaftliche Akzeptanz ihrer Entscheidungen ein Anliegen ist.